Entwerfen und Konstruieren II

Architekt  Prof. Michael Vaerst

Entwerfen

Aktuelles zum Lehrgebiet Entwerfen

 

"Sie werden nie etwas erreichen, es sei denn, Sie arbeiten darauf hin. Sie können nicht auf halbem Weg den Vorgang durchbrechen und, am wenigsten können Sie mit dem Ergebnis beginnen.
Sie müssen von vorne beginnen. Dann werden Sie jede Spur von Künstlichkeit vermeiden und der schöpferische Prozess wird ohne Unterbrechung vor sich gehen."

Paul Klee, 1923  (an die Studenten des Bauhauses)

 

Studentische Entwürfe / Diplomarbeiten / Bachelorarbeiten

Ergebnisse aus den Entwurfsmodulen, Diplomarbeiten, Bachelorarbeiten finden Sie hier ...

 

Entwerfen

Lehre im Fachgebiet Entwerfen


Die Lehrgebiete Entwerfen, Gebäudelehre und Baukonstruktion stellen einen untrennbaren, grundlegenden Zusammenhang dar. Was hat es damit auf sich? Welche Prägung wohnt dem Ganzen inne?

 

Entwerfen erscheint zunächst als ein relativ einfacher, kreativer und gestalterischer Vorgang. Das architektonische Entwerfen stellt sich bei näherer Betrachtung allerdings als ein äußerst komplizierter und komplexer Prozess dar, denn dabei sind ALLE Aspekte der zahlreichen, für ein Bauwerk zu verarbeitenden Kriterien zu integrieren und zusammen zu bringen. Dabei müssen sowohl rationale wie auch intuitive und emotionale Ebenen gleichermaßen verarbeitet werden. Materielle, technische, konstruktive und funktionale Kriterien, die für eine strukturelle Grundlage sorgen, sind ebenso zu berücksichtigen, wie raumbildende, formgebende und gestalterische Aspekte, die individuelle Emotionen erzeugen.


Darüber hinaus liegt der Grund für die Komplexität des architektonischen Entwerfens in der Einzigartigkeit einer jeden Aufgabe. Jedes noch so kleine Bauwerk entsteht in seinem spezifischen Kontext und will demgemäß behandelt werden. Es kann also nicht darum gehen, rezeptartig vorgefertigte Lösungen zu generieren, da diese den jeweilig spezifischen Anforderungen nicht gerecht würden.


Die Lehre im Fachgebiet Entwerfen soll die Studierenden folglich dazu befähigen, spezifische Problemstellungen selbständig zu erkennen und sich in intensiver Auseinandersetzung damit Schritt für Schritt einer individuellen Lösung zu nähern. Es geht darum, Ausgangssituation und Zielstellung - sowie die eigene Arbeit daran - permanent in Frage zu stellen und immer wieder erneut zu prüfen. Um das leisten zu können, ist nicht nur ein hohes Maß an Kreativität erforderlich. Vielmehr wird ein ganzes Instrumentarium an analytischen Fähigkeiten ebenso benötigt, wie die profunde Kenntnis verschiedenster Grundlagen, die sich über alle Teilbereiche der Architektur erstrecken. Hier setzt die Gebäudelehre an und versucht, die für das Entwerfen benötigten Grundlagen bereit zu stellen.

 

Positionen

Im Folgenden sind hier Zitate und Auszüge aus Schriften von Architekten wiedergegeben, die aufzeigen sollen, wie vielfältig und unterschiedlich individuelle Haltungen zum Entwerfen sein können. Eines jedoch haben alle gemeinsam: eine intensive Auseinandersetzung mit der Architektur und mit dem Entwurfsprozess im Besonderen.

Frank Gehry

Frank. O. Gehry

I don't know why people hire architects and then tell them what to do. [...]

Zitat aus dem Dokumentarfilm "Sketches of Frank Gehry" von Sidney Pollack.

Mario Botta

Die Stadt ist das Haus des Menschen, der Ort, wo der Mensch als Sozialwesen Umgang mit seinesgleichen hat. Jede Architektur strebt danach, Teil des größeren Bauwerks, des umfassenderen Bildes der Stadt zu werden. Wenn ich ein Haus, eine Schule, eine Kirche, eine Brücke oder ein Theater entwerfe, entwerfe ich immer auch einen Teil der Stadt, einen Raum, der seine Grundlage in seiner interaktiven Gesamtgestaltung findet. [...]

Auszug aus: Mario Botta, Ethik des Bauens, Birkhäuser Vlg.

Norman Foster

Im 20. Jahrhundert wollten Architekten den Menschen neu erfinden; es war ein Irrweg. Man muss weder den Menschen noch die Architektur neu erfinden, oft reicht es, wenn man sich anschaut, wie ungeheuer reich und vielfältig die Bauten sind, die im Laufe der Jahrtausende errichtet wurden. [...]

Auszug aus dem Interview mit "DIE ZEIT" v. 22.08.2008

Richard Rogers

I've never really understood how architects can think of themselves as an individual.

Auszug aus dem Interview mit "The New York Times" v. 29.03.2007

Renzo Piano

Der Beruf des Architekten ist eine abenteuerliche Tätigkeit: Ein Grenzberuf in der Schwebe zwischen Kunst und Wissenschaft, auf dem Grat zwischen Erfindung und Gedächtnis, zwischen dem Mut zur Modernität und echter Achtung der Tradition. Der Architekt lebt notgedrungen gefährlich. Er arbeitet mit allen Arten von Rohstoffen, womit ich nicht allein Beton, Holz und Metall meine, sondern ebenso Geschichte und Geografie, Mathematik und Naturwissenschaften, Anthropologie und Ökologie, Ästhetik und Technologie, Klima und Gesellschaft. Mit all diesen Dingen muss er sich täglich messen. Der Architekt übt die schönste Tätigkeit der Welt aus. Denn auf diesem kleinen Planeten, auf dem bereits alles entdeckt worden ist, ist das Entwerfen noch eines der grossen möglichen Abenteuer.

Peter Zumthor

Die Baukunst ist auch eine Kunst. […] Verglichen mit zeitgenössischer Musik oder Malerei hat Architektur ein viel größeres Potential, normale Leute abzuholen, weil etwas einfach sehr gut funktioniert, etwas praktisch ist und schön.

Peter Zumthor

Schöpft ein Entwurf allein aus dem Bestand und der Tradition, wiederholt er das, was sein Ort ihm vorgibt, fehlt mir die Auseinandersetzung mit der Welt, die Ausstrahlung des Zeitgenössischen. Erzählt ein Stück Architektur nur Weltläufiges und Visionäres, ohne ihren konkreten Ort zum Mitschwingen zu bringen, vermisse ich die sinnliche Verankerung des Bauwerks an seinem Ort, das spezifische Gewicht des Lokalen.

Alvaro Siza

"... Oscar Niemeyer und Le Corbusier haben mich stark beeinflusst. Ich bin sicher, dass meine Arbeit durch das Werk von Alvar Aalto genauso beeinflusst wurde, wie durch das hundert anderer Architekten. Wenn man sich nur auf eine Quelle fixiert, ist man verloren. Den Beruf des Architekten erlernen heisst, das Werk vieler Architekten studieren."

Interview in Porto v. 24.05.1998

Meinhard von Gerkan

Architektur ist, unabhängig davon, wie profan oder anspruchsvoll der Zweck ist, dem sie dient, letztlich die Gesamtheit der durch Menschenhand veränderten Umwelt und damit eine kulturelle Leistung der Menschen.

Meinhard von Gerkan, 1982 in: Die Verantwortung des Architekten

Luigi Snozzi

Meinem Denken und Handeln, folglich auch meiner Vorgehensweise beim Entwerfen und im Unterricht, liegt immer eine politische und ideologische Haltung zugrunde, die an umfassenden sozialistischen Bestrebungen teilhat und sich einem utilitaristischen Bild von unserer Leistungs- und Konsumgesellschaft widersetzt. Innerhalb dieser ideologischen Perspektive halte ich jedoch fest, dass die Architektur die Autonomie ihres Lehrfachs wahren muss.
[...]
Sich auf "Tradition der Moderne" zu berufen, setzt jedoch voraus, dass man den vulgären Funktionalismus eindeutig verwirft, dessen vielzitierter Wahlspruch lautete: " Die Funktion bestimmt die Form."

Luigi Snozzi, 1986 Auszug aus der Antrittsrede an der ETH Lausanne

Peter Eisenman

Architekten müssen sich mit den realen Bedingungen der Schwerkraft auseinandersetzen, sie müssen das Hier und Jetzt bauen. Sie haben es mit konkreter Präsenz zu tun. Die Architekten schaffen nicht nur ständig Symbole für die Überwindung der Natur, sie müssen die Natur tatsächlich überwinden.

Quelle: Aura und Exzeß,1995 Passagen Vlg.

Richard Meier

Bei meiner Arbeit konzentriere ich mich auf den Raum, nicht auf einen abstrakten, maßstabslosen Raum, sondern auf einen, der sich über Licht, Augenmaß und architektonische Kultur definiert. Architektur ist lebensnotwendig und dauerhaft, weil wir sie bewohnen. Sie beschreibt den Raum, durch den wir uns bewegen, in dem wir leben und den wir benutzen. Ich arbeite mit Außenflächen und Volumen, ich manipuliere Formen durch Licht, Wechsel von Maßstab und Ansicht sowie durch Dynamik und Stagnation. Meine vorrangigen Ordnungsprinzipien knüpfen an eine Reinheit an, die sich teilweise der Unterscheidung zwischen dem vom Menschen Geschaffenen und dem Natürlichen verdankt. Diese Unterscheidung liefert die Grundlage für die Möglichkeit, beides im komplementären Kontrast zusammenzufügen. Für mich stellt der Eingriff des Menschen eine ästhetische Gliederung der Umwelt dar, und ich versuche, ein stimmiges System gegenseitig abhängiger Werte, eine harmonische Beziehung zwischen den Teilen herzustellen, um so eine Lösung aller ineinandergreifenden Fragen von Form, Funktion und Nutzbarkeit zu erzielen. Vor allem aber müssen sich die gedankliche Konzeption für ein Gebäude und seine körperliche Manifestation wechselseitig aufeinander beziehen. [...| Meine Strenge hierbei ist auch ein Streben nach Klarheit.

Auszug aus: Werner Blaser, Richard Meier Details - Über Architektur, Birkhäuser Vlg.

Robert Venturi

Ich freue mich über Vielfalt und Widerspruch in der Architektur. Die Zusammenhangslosigkeit und die Willkür nicht bewältigter Architektur aber lehne ich ab; ebensowenig mag ich die erkünstelten Raffinessen pittoresker oder expressiv übersteigerter Architektur. Im Gegensatz dazu will ich über eine komplexe und widerspruchsreiche Architektur sprechen, die von dem Reichtum und der Vieldeutigkeit moderner Lebenserfahrung zehrt, einschließlich der Erfahrungen, die nur in der Kunst gemacht werden. Überall wurde das Prinzip von Vielfalt und Widerspruch anerkannt, nur nicht in der Architektur: so durch Gödels Beweis letztendlicher Inkonsistenz in der Mathematik, durch T.S. Eliots Analyse 'schwieriger' Dichtung und durch Joseph Albers' Bestimmung des paradoxen Charakters von Malerei.

Aus : R. Venturi, "Komplexität und Widerspruch in der Architektur", 1966

Aldo Rossi

Wenn ein Architekt behauptet, die Typologie sei eine strenge Angelegenheit und mit der künstlerischen Freiheit nicht zu vereinbaren, dann beweist er damit seine Ignoranz und seine Dummheit. Die Typologie ist ein technischer Begriff, den man in der Architektur immer verwendet hat, um bestimmte Gebäudearten und bestimmte Bauweisen zu definieren.

Aldo Rossi im Gespräch mit Bernard Huet, Katalog Berlinische Galerie

Oswald Matthias Ungers

Es ist immer dieser intellektuelle Vorgang, der notwendig ist, um zu suchen. Bei der Analyse erfindet man bereits. Also überlegt man sich die Komplexität einer bestimmten Funktion und versucht, diese morphologisch durchzudeklinieren. Und dann taucht das Problem der Emotion auf, die über das Sprechen hineinkommt. Sie müssen also immer einen Sinn stiften. Das ist eine Angelegenheit der Emotion und der Fantasie. Aber Sie müssen zunächst einmal das ganze Instrumentarium kennen und durchdekliniert haben. Sonst haben Sie überhaupt keine Sprache, sonst ist die Syntax am Ende.
Und wenn nun die meisten heutigen Architekten entwerfen, indem sie danach schielen, was gerade in Mode ist, dann ist das für mich eine sprachlose Gesellschaft von Architekten geworden, die sich überhaupt nicht mehr artikulieren kann.

O.M.Ungers im Interview mit Rem Koolhaas und Hans Ulrich Obrist in "Die Rationalisierung des Bestehenden", Arch+ 179, Juli 2006

Louis Kahn

Design is a circumstantial act.
it is the battle with the nature of man,
with the nature of nature,
with the laws of nature,
with the rules of man,
and with principles.

New Frontiers in Architecture: CIAM in Otterlo 1959 in:
Kahn, Louis L.; Writings, Lectures, Interviews; New York 1991; S.18

Egon Eiermann

Architektur hat mit Kunst nichts zu tun, ist reine Gedankenarbeit. Architektur entsteht heute nach ökonomischen, konstruktiven und funktionellen Gesetzmäßigkeiten. Wir stehen im harten Kampf mit der Wirklichkeit. Und wenn dann noch etwas Ähnliches wie das, was man mit dem Attribut Kunst bezeichnet dazukommt, dann kann man in seinem Leben von einem unwahrscheinlichen Glück sprechen.

Arne Jacobsen

Architektur ist Wissen um die Technik, Empfänglichkeit gegenüber der künstlerischen Seite der Angelegenheit.

Ludwig Mies van der Rohe

Clip aus dem Interview in Berlin 1964 (mp3-Sounddatei) hier . . .

Ludwig Mies van der Rohe

"Wir kennen keine Form, sondern nur Bauprobleme. Die Form ist nicht das Ziel, sondern das Resultat unserer Arbeit. […] Es liegt uns gerade daran, die Bauerei von dem ästhetischen Spekulantentum zu befreien und Bauen wieder zu dem zu machen, was es allein sein sollte, nämlich BAUEN."

Manifest "BAUEN", 1923

Walter Gropius

Das Schlagwort »das Zweckmäßige ist auch schön« ist nur zur Hälfte wahr. Wann nennen wir ein menschliches Gesicht schön? Die Teile eines jeden Gesichts dienen einem Zweck, aber nur wenn sie vollkommen sind in Form, Farbe und wohlausgewogener Harmonie, verdient das Gesicht den Ehrentitel »schön«. Das gleiche gilt für die Architektur. Nur vollkommene Harmonie in der technischen Zweck-Funktion sowohl wie in den Proportionen der Formen kann Schönheit hervorbringen. Und das macht unsere Aufgabe so vielseitig und kompliziert.

Walter Gropius, 1955 in: "Architektur"

Bruno Taut

Die Architektur arbeitet grundsätzlich nicht auf die Wirkung der Farben hin. Die Farbe steht keineswegs an den Anfängen der Architektur, sondern höchstens an ihrem Ende. Der Architekt arbeitet nicht dafür, daß sein Gebäude ein Bild ist oder im Bilde gut aussieht. Die Architektur ist also nicht Malerei.

Bruno Taut, Architekturlehre

Le Corbusier

An die Studenten der Bauhochschulen

Man muss immer sagen, was man sieht, vor allem muss man immer - und das ist weitaus schwieriger - sehen, was man sieht.

Einleitung zu: "An die Studenten - Die <Charte d' Athènes>", (Deutsche Ausgabe) Rowohlt Verlag, Hamburg 1962

Ludwig Wittgenstein

Der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Architekten besteht heute darin, dass dieser jeder Versuchung erliegt, während der rechte ihr standhält.

Ludwig Wittgenstein, 1930

Adolf Loos

Nur ein ganz kleiner Teil der Architektur gehört der Kunst an: Das Grabmal und das Denkmal. Alles andere, alles, was einem Zweck dient, ist aus dem Reiche der Kunst auszuschließen. Denn: Das Haus hat allen zu gefallen. Zum Unterschiede zum Kunstwerk, das niemandem zu gefallen hat. Das Kunstwerk ist eine Privatangelegenheit des Künstlers. Das Haus ist es nicht. Das Kunstwerk wird in die Welt gesetzt, ohne dass ein Bedürfnis dafür vorhanden wäre. Das Haus deckt ein Bedürfnis. Das Kunstwerk ist niemandem verantwortlich. Das Haus einem jedem. Das Kunstwerk will die Menschen aus ihrer Bequemlichkeit reißen. Das Haus hat der Bequemlichkeit zu dienen. Das Kunstwerk ist revolutionär, das Haus konservativ. Das Kunstwerk weist der Menschheit neue Wege und denkt an die Zukunft. Das Haus denkt an die Gegenwart.

Adolf Loos, 1910 in dem Essay "Architektur"

Hermann Muthesius

Im allgemeinen ist der Bauherr der Ansicht, daß die äußere Gestaltung des Hauses Sache des Architekten sei, daß er davon nichts verstände. Aber eine Sorge pflegt ihm merkwürdigerweise von Anfang an am Herzen zu liegen, es ist die Sorge um den Stil. Die Frage, in welchem Stil das Haus zu bauen sei, wird gewöhnlich schon bei der ersten Verhandlung an den Architekten gerichtet. Viele Bauherren kommen auch gleich mit dem Wunsch, einen bestimmten Stil angewendet zu sehen. Am meisten gefragt wurde in der letzten Zeit wohl der Biedermeierstil; Biedermeier wird von vielen für den Gipfel des Geschmackes gehalten, er scheint eine wahrhaft berückende Wirkung auf seine Verehrer auszuüben. Andere wieder wollen französischen Stil, holländischen, süddeutschen, englischen, Schweizerstil. Neuerdings ist viel vom Barockstil die Rede. Der Bauherr setzt voraus, daß selbstverständlich auch den Architekten, sobald er an den Entwurf eines Hauses geht, in allererster Linie derartige Stilsorgen bewegen.
Demgegenüber muß gesagt werden, daß sich die Frage der Gestaltung des Hauses in der Vorstellung jedes wirklich ernst schaffenden Baukünstlers völlig anders abspielt. Stilgesichtspunkte liegen ihm ganz fern, sie sind für ihn ein überwundener Standpunkt. Nur die Laienwelt ist heute noch stilwütig. Was der Architekt, abgesehen von der Erfüllung des Bedürfnisses, erstrebt, ist nicht, einen geschichtlichen, einen ausländischen oder etwa den sogenannten "modernen" Stil anzuwenden, sondern sein einziger Wunsch ist, gute Architektur zu machen.
Worin gute Architektur besteht, darüber gibt es im allgemeinen nur eine Meinung. Einheitlichkeit des Bauwerkes in Form und Farbe, geschlossener, wohlgeordneter Aufbau der Massen, gute Verhältnisse im ganzen und im einzelnen, das sind einige Kennzeichen der guten Architektur. Der Architekt erstrebt darüber hinaus das Ziel, das innere Wesen des Bauwerkes in seiner äußeren Erscheinung zum Ausdruck zu bringen; er verabscheut jede Vortäuschung falschen Scheines; er wünscht die gewählten Baustoffe zur besten künstlerischen Wirkung zu bringen, er fühlt sich vor die Aufgabe gestellt, das Haus so in seine Umgebung, insbesondere in die Landschaft, zu stellen, daß es sich dieser natürlich und selbstverständlich einfügt, gewissermaßen mit ihr verwachsen erscheint; es liegt ihm auch daran, Haus und Garten zu einer Einheit zu verschmelzen, dergestalt, daß beide in natürlicher Weise ineinander übergehen. Wenn er alle diese Anforderungen erfüllen will, so sieht er sich einer Aufgabe gegenübergestellt, die seine ganze Hingabe erfordert. Die architektonische Gestaltung ist ja nicht eine völlig freie künstlerische Tätigkeit, wie sie der Maler und Bildhauer ausübt, sondern sie ist eingeengt durch Nützlichkeitsforderungen, durch bestimmte Wünsche des Bauherrn, durch die Baukosten, durch die besondere Art des Bauplatzes, durch die Baustofffrage und viele andere Gegebenheiten. Wenn auch diese Einschränkungen für den schöpferischen Architekten kaum eine Fessel bedeuten, er vielmehr gerade angeregt wird, aus den gegebenen Bedingungen heraus eine reizvolle Architektur zu schaffen, so bleibt ein Bauwerk, besonders aber ein Wohnhaus, doch immer eine von gegebenen Größen abhängige Leistung.

Aus: H. Muthesius, "Wie baue ich mein Haus?", 1925

Karl Friedrich Schinkel

Um das Bauwerk schön zu machen ist die Annahme folgenden Grundsatzes unerläßlich:
Von der Konstruction des Bauwerkes muß alles Wesentliche sichtbar bleiben.
Man schneidet sich die Gedankereihe ab, sobald man wesentliche Theile der Konstruction verdeckt; das überdeckende Mittel führt sogleich auf Lüge, ein anderer Gegenstand tritt an die Stelle der Konstruction, der Willkühr nach Laune ist der Weg geöffnet, der Character der Wahrheit und Naivität am Werke ist verschwunden.

Das architektonische Lehrbuch, aus: Heft III, Blatt 17-18, ca. 1825

Andrea Palladio

"Bevor man mit dem Bauen beginnt, soll man sorgfältig jeden Teil des Grundrisses und des Aufrisses des Gebäudes studieren, das errichtet werden soll. Bei jedem Bau sollen, wie Vitruv lehrt, drei Dinge beachtet werden, ohne die kein Gebäude Lob verdient. Diese drei Dinge sind: der Nutzen oder die Annehmlichkeit, die Dauerhaftigkeit und die Schönheit. Denn ein Gebäude, das nützlich, aber von geringer Lebensdauer ist oder aber stark und fest, ohne bequem zu sein, oder auch die beiden ersten Bedingungen erfüllt, aber jeder Schönheit ermangelt, kann nicht als vollkommen bezeichnet werden. Annehmlichkeit erzielt man, wenn jedem Teil der ihm angemessene Ort und die Lage zugeteilt werden, die weder geringer sein dürfen, als es seine Würde verlangt, noch größer, als es seinem Gebrauch zukommt; so wie die Loggien, die Säle, die Zimmer, die Keller und die Kornböden alle den Platz, der ihnen entspricht, einnehmen. Dauerhaftigkeit wird dadurch erreicht, dass man alle Mauern lotrecht errichtet, sie unten breiter macht als oben und mit guten und ausreichenden Fundamenten versieht. Darüber hinaus müssen die Säle genau übereinander stehen und ebenso alle Öffnungen wie Türen und Fenster, damit Gemauertes über Gemauertem und Leeres über Leerem zu stehen kommt. Schönheit entspringt der schönen Form und der Entsprechung des Ganzen mit den Einzelteilen, wie der Entsprechung der Teile untereinander und dieser wieder zum Ganzen, so dass das Gebäude wie ein einheitlicher und vollkommener Körper erscheint. Entspricht doch ein Teil dem anderen, und sind doch alle Teile unabdingbar notwendig, um das zu erreichen, was man gewollt hat."

Andrea Palladio, 1570 in "Die vier Bücher zur Architektur", Buch I, Kapitel 1

Leon Battista Alberti

Architektur ist Harmonie und Einklang aller Teile, die so erreicht wird, dass nichts weggenommen, zugefügt oder verändert werden könnte, ohne das Ganze zu zerstören.

Leon Battista Alberti, 1452 in: De re aedificatoria

Vitruv

"Architektur beruht auf drei Prinzipien: Firmitas (Festigkeit, Stabilität), Utilitas (Zweckmäßigkeit, Nützlichkeit) und Venustas (Anmut, Schönheit)."

Vitruv [Marcus Vitruvius Pollio], römischer Baumeister,
ca. 30 v.Chr. in: "De Architectura Libri Decem" - Zehn Bücher über Architektur

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